Teil 1 eines Interviews
Individual- und Gemeinschaftskompetenzen
in der Medienwelt
Ein Gespräch mit Eberhard Schuy über Kompetenzen und
Veränderungen im Berufsleben als Fotograf
Eberhard Schuy ist seit 25 Jahren
Berufsfotograf in Köln. Er arbeitet dort für große Unternehmen und
Werbeagenturen im Bereich der Werbe und Industriefotografie.
Außerdem kann man ihn für Workshops, Schulungen
und Coachings buchen.
I.P.P.
Herr Schuy, herzlichen Dank das Sie sich heute
die Zeit nehmen für ein ausführliches Interview. Wir möchten Sie in einem
Portrait vorstellen und die Veränderungen in einem Medienberuf bedingt durch
neue und digitale Techniken besprechen. Im Vordergrund sollte dabei nicht die
Technik stehen sondern die Auswirkungen in Ihrem persönlichen Arbeitsleben. Sie
gelten als Experte für Produktfotografie und Analyst wenn es um die Darstellung
von Objekten geht. Einige große Agenturen haben sie bereits gebucht wenn es um
Konzeptentwicklungen in der Objektfotografie geht. Dazu aber später mehr.
Zunächst etwas zu Ihrer Person bezüglich der Fotografie. Wie sind sie
denn zu diesem Beruf gekommen.
e.schuy
Zunächst bestand der Wunsch etwas mit Bildern
zu machen. Eigentlich war Fotograf nur die zweite Wahl, eine Ausbildung als
Bildtechniker beim WDR war der große Wunsch. Als ich mich dann näher mit den
Berufsbildern beschäftigte ergab sich die Möglichkeit bei einem Werbefotografen
ein einwöchiges Praktikum zu machen. Riesige Entwicklerbecken in denen von Hand
schwarzweiß Vergrößerungen von mehreren Metern entwickelt wurden. Horizontal, auf Schienen laufende
Vergrößerungsgeräte und Studioaufbauten in denen duzende Kleinteile auf
Glasplatten mit vielen riesigen Leuchten so fotografiert wurden, dass man
meinte sie wären ausgeschnitten. Dann kamen noch völlig aufwändige
Außenaufnahmen in denen stundenlang Leuchten aufgebaut und Objekte
zurechtgerückt wurden um danach 3x auszulösen. Als ich das erlebte war die
Faszination für die Fotografie geweckt. Fotografiert wurde auf 13x18cm
Großformatfilm. Tests wurden keine gemacht. Und mit dem Belichtungsmesser ausgemessen wurde eher auch
selten. Da arbeitete jemand der
wusste was er tat und ich hatte noch überhaupt keine Ahnung welche Kompetenz
dahinter stand, fand es aber schon sehr spannend wie die Bilder entstehen. Nach dieser Woche Praktikum
unterschrieb ich spontan einen Lehrvertrag!
I.P.P.
Aus Ihrer Antwort hört man schon heraus wie
sehr sie das Thema auch heute noch begeistert! Sie hatten sicher aber auch Glück, in einem Studio dieser
Art zu lernen.
e.schuy:
Na ja, das mit dem Glück im Berufsleben ist ja
so eine Sache. Die Details wie es zum Praktikum gekommen ist waren schon nicht
ganz zufällig. Und so ist es doch eigentlich immer, auch wenn die Zusammenhänge
nicht immer direkt auf der Hand liegen, Vieles, was man sich in langen Jahren
erarbeitet wir dann oft am Ende als Glück oder glücklicher Zufall angesehen.
Aber es stimmt schon, natürlich konnte ich damals im Praktikum nicht beurteilen
welche Qualität der Fotograf und die Ausbildungsstelle hatten. Und ganz klar,
im Laufe der Jahre hat mich der Beruf wirklich gepackt. Schon nach wenigen
Wochen war mir eigentlich klar das Fotografie mein Ding ist und ich nichts
anderes machen möchte!
I.P.P.
Und danach konnten Sie fotografieren? Oder wie
schätzen Sie heute den Stand ein den sie mit Abschluss der Ausbildung erreicht
hatten.
e.schuy
Zum Glück habe ich damals schon mitbekommen das
die Ausbildung gerade mal eine gute Basis liefern kann. Wobei hier ja schon
wieder das Wort Glück vorkommt.
Eigentlich ist auch das kein Glück gewesen, konsequentes Mitarbeiten brachte
mich immer in eine Position ernst genommen zu werden und einen Status zu
erlangen durch den ich mit einer gewissen Ernsthaftigkeit einbezogen
wurde.
I.P.P.
Wie ging es weiter?
Danach wollte ich nur noch Fotografie lernen
und erleben. Nach dem
Zivildienst, bei dem ich aber auch
schon für die Fotografie des Verbandheftchens zuständig war, kamen großartige
Jahre in einer Werbeagentur als
Studioleiter und Fotograf.
Internationale Aufträge in der Beauty- und Autofotografie mit wirklich
namhaften Fotografen durfte ich begleiten und teilweise auch
fotografieren. In dieser Zeit
begann ich mich auf die Meisterschule vorzubereiten, die ich dann noch 3 Jahre
in Köln besuchte und abschloss. Damit hatte ich die Möglichkeit in einem
Industrieunternehmen als Werbeassistent eingestellt zu werden. Mein
Aufgabenbereich umfasste die Koordination, Organisation und Durchführung der
Produktaufnahmen in Europa. Wobei es fast immer um große Industrieanlagen und
Ladeneinrichtungen ging.
Der Mix des bis dahin erlebten, also die
Erfahrungen der letzten 9 Jahre als verantwortlicher Fotograf in einer Agentur
bzw. direkt auf Industrieseite brachten mich fast zwangsläufig dazu, mich als
freier Werbefotograf in Köln selbstständig zu machen. Auch hier konnte ich von
Anfang an auf meine bisherigen Arbeitgeber zählen die ich vom ersten Tag an als
Kunden fotografisch betreuen durfte.
Dann kamen intensive Jahre der selbstständigen
Arbeit bis einem klar wird, dass es damit nicht genug sein kann. Die Ansprüche an den Umgang mit Kunden
steigen zwangsläufig und neben reinem Fachwissen zählt auch gute Kommunikation und die Eigendarstellung
gegenüber den Aufraggebern. So kam
ich zu einem mehrmonatigen Kommunikationstraining, das ich wöchentlich abends
besuchte. Danach wurde ich dort zum Assistenten gewählt. So konnte ich dann 4
Jahre an der Seite eines bekannten Trainers (Theo Bergauer) richtige Kommunikation erleben.
I.P.P.
Diese Kommunikationstrainings hatten aber
nichts mit Fotografie direkt zu
tun!
e.schuy.
Nein, sie hatten etwas mit der Art und Weise zu
tun wie man mit Menschen umgeht, wie man respektvoll miteinander arbeitet, wie
man Dinge nicht missverständlich und souverän durchsetzt und sich dabei der
Achtung der Mitarbeiter bzw. dem Team in dem man arbeitet bewusst ist. Es geht
darum Sicht- und Arbeitsweisen zu achten auch wenn sie nicht der eigenen
Vorstellung entsprechen. Hierauf, und auf die Erfahrungen in der Agentur bzw.
dem Industriebetrieb baut genau ein solches Training auf. Es macht alltägliche Abläufe transparent, hält
jedem Teilnehmer auch mal den Spiegel vor und sorgt für ein bewusstes und
selbstbewusstes und damit
wahrscheinlich auch sympathisches Auftreten in der Arbeitsgemeinschaft. Genau
das ist es was jeder Fachmann oder
Experte gelernt haben sollte. Es ist ein Teil der fachlichen Kompetenz, diese
auch souverän vermitteln oder zumindest darstellen zu können.
I.P.P.
Damit sind wir ja schon richtig im Thema.
Ist Fachkompetenz Ihrer Meinung nach durch die
digitale Fotografie weniger notwendig.
e.schuy
Naja, klar ist sie weniger notwendig und damit
auch weniger vorhanden. Aber was soll ein junger Digitalfotograf auch
beispielweise mit dem Wissen anfangen wie man einen Großbildfilm einlegt oder
wie ein Ausgleichsentwickler angesetzt wird. Wenn er gewohnt ist intuitiv zu
arbeiten kann er die Technik fast vernachlässigen. Das ist alles völlig irrelevant. Wir müssen einfach froh sein
das die Entwicklung nicht stehen bleibt auch wenn das natürlich auf den Beruf
des Fotografen, um bei diesem Beispiel zu bleiben große Auswirkungen hat.
Als ich mit der Fotografie anfing war es für
mich ein Bereich den ich erlernen wollte um dort ein "Fachmann" zu
werden um damit Geld verdienen zu können. Damals gab das notwendige Spezialwissen
und der Berufsschutz den zu beschreitenden Weg praktisch vor. Heute ist
Fotografie für mich kein Beruf im eigentlichen Sinne mehr. Es ist eine
Tätigkeit mit der man auch ungelernt Geld verdienen kann. Wir könnten jetzt
erst einmal den Begriff " Beruf" in diesem Zusammenhang definieren,
aber ich glaube es wird auch so schon klar was ich meine. Es ist einfach
geworden sich Berufsfotograf zu nennen, und es ist gut so, dass dadurch viele
großartige Fotografen die Möglichkeit haben ohne Beschränkungen Ihre
Kompetenz > Fotografie <
unter Beweis zu stellen. Und wie
immer, wenn etwas nicht restriktiv gesetzlich geregelt wird, entstehen
Freiräume die auch von Selbstdarstellern und Personen die ohne eigene Kompetenz
Wissen oberflächlich weitergeben genutzt werden. Das ist alles kein Problem, solange sie dabei nicht die
Fotografie und ernsthaft tätige Fotografen schädigen. Aber mir ist auch klar, dass die unterschiedlichsten
Online-Plattformen für Viele eine verlockende Spielwiese darstellen.
I.P.P.
Das Problem des Kompetenznachweises gibt es ja
mittlerweile in vielen Berufen die ohne Ausbildungsnachweis ausgeübt werden.
Fluch oder Segen?
e.schuy
Wenn wir von einem Problem reden dann müsste es
ja automatisch ein Fluch sein. Ist es aber nicht, das Problem ist nicht, dass
unausgebildete Fotografen auf dem
Markt sind. Das Problem ist die mangelnde Qualifikation und
Unterstützung zum Beispiel durch
die Handwerkskammer. Schon seit Ende der 1980er Jahre zeichnet sich doch ab,
dass eine Meisterprüfung im kreativen Beruf - Fotograf - eher Hinderlich
ist. Hier wurde und wird es meines
Erachtens nach immer noch versäumt eine anerkannte, zeitgemäße Qualifikation
anzubieten. So bleibt es also bei den Fotografen sich mit Arbeiten die Ihren
eigenen Bildideen entsprechend hervorzuheben.
I.P.P.
Sie sind mittlerweile einer der Experten mit
anerkannter Kompetenz wenn es um Produktfotografie geht, große Agenturen haben sie schon gebucht
um Konzepte zur Darstellung von Produkten in bestimmten Marktsegmenten zu
entwickeln. Wie haben Sie diesen
Ruf erlangt.
e.schuy
Wenn ich das so genau wüsste, ich würde das
Rezept dazu wahrscheinlich verkaufen können. Aber zunächst gibt es da ja die
Kompetenz aus Erfahrung und erlerntem Wissen. Und es gibt bei mir einen vielleicht
manchmal sogar übertriebenen Respekt vor Arbeiten und Ideen von Kollegen.
Daraus resultiert zwangsläufig die Notwendigkeit etwas Neues zu entwickeln zu
müssen, das auf der Basis eigener Überlegungen steht. Wenn sich dann herumspricht, dem Internet sei Dank, dass sich
da jemand mit Bildgestaltung, den Besonderheiten der Objektfotografie und der
Logik der menschlichen Wahrnehmung befasst und beweisen kann das fotografische
Sparten auch eigene Gestaltungsregeln haben können... ja dann scheint es zu
funktionieren. Es geht darum im Stillen, ohne große Aufmerksamkeit zu erregen,
Konzepte zu entwickeln damit Bilder sich abheben ohne das der Grund dafür auf
den ersten Blick ersichtlich ist. Klingt kompliziert, gemeint sind aber nur die
ganz einfachen Bilder von denen die besondere Faszination ausgeht wie wir sie
zu Genüge kennen. Als Fazit könnte
man sagen: Die langjährige Erfahrung und Auseinandersetzung mit dem Thema macht
es. Durch reifliches Überlegen entstehen daraus die eigenständigen Bilder.
Zielgerichtete Kreativität entsteht aus einer Kernkompetenz im Mix mit den
überraschenden Zutaten die individuell gefunden werden müssen. Nur Eines ist ganz sicher... Nachmachen
und Kopieren, geht gar nicht, auch wenn es noch so sehr unter dem Deckmantel
der Inspiration verkauft wird, das ist der Beweis der Inkompetenz schlechthin!
I.P.P.
Zu den Gemeinschaftskompetenzen. In welchem
Rahmen greifen sie auf zusätzliches Wissen zurück und welcher Kanäle bedienen
sie sich dabei?
e.schuy
Es ist ein ständiges Lernen, wer heute noch so fotografiert wie er
das bereits gestern getan hat wird nicht mehr weit kommen. Das ist es wohl, wie
die Gesellschaft sich zur Zeit definiert. Es ist alles sehr schnelllebig
geworden, trotzdem suchen immer mehr Leute auch nach Ruhepunkten im täglichen
Leben. Auch das ist durchaus ein
Umstand den wir in der kommerziellen Fotografie einmal berücksichtigen können.
... Zurück zu Frage, nein ich sitze nicht einsam auf einen Baum und esse Früchte bis mir eine Idee
kommt. Es ist ein Austausch mit ernsthaften Kollegen und Freunden, wichtig ist
es, sich andere Meinungen und in meinem Fall auch Bildauffassungen anzuschauen.
Das Internet ist dabei übrigens nur hilfreich Leute zu entdecken die evtl. ein Gespräch wert sind. Das
Problem wird mehr und mehr, dass dies eine echte Aufgabe ist, aus 1000 Einträgen den einen Sinnvollen zu finden.
Es gibt nur noch wenige Seiten die eine Qualitätskontrolle vor die Veröffentlichung setzen. So bleibt nur die Möglichkeit sich
selbst ein System zu entwickeln um die kompetenten Partner zu finden mit denen
man sich zum gegenseitigen Nutzen austauschen kann.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen